Der Sozialstaat: ungerecht, aber alternativlos?

„Ob einer sich zur Sozialdemokratie bekennt oder nicht, spielt schon längst keine Rolle mehr, weil es Nicht-Sozialdemokraten bei uns gar nicht geben kann, die Gesellschaft ist per se strukturell sozialdemokratisch, und wer es nicht ist, der ist entweder im Irrenhaus oder im Ausland. Es gibt keine ernsthafte Alternative dazu.“ (Peter Sloterdijk)

Alternativlos?

Die Sozialdemokratie und damit auch der Sozialstaat gehört zu den Ideologien, die fast niemand in Frage zu stellen wagt. Wann beispielsweise hat zuletzt jemand in den öffentlich-rechtlichen Medien, ja selbst in den privaten Fernsehprogrammen, klare Position gegen diese Ideologie bezogen – beziehen dürfen? Von den über sechzig in Deutschland zugelassenen Parteien gibt es offenbar keine einzige, die sich konsequent zur freien Marktwirtschaft und zur Selbstverantwortung bekennt. Am nächsten kommt diesem Ideal wohl die 2009 gegründete Partei der Vernunft.

Die Übergänge zwischen Sozialdemokratie und Sozialismus sind fließend. Der 2012 verstorbene Volkswirt Roland Baader sprach in Bezug auf die BRD von einem „Dreiviertel-Sozialismus“. Auch wäre genau genommen zwischen Umverteilung von Vermögen und staatlicher Einmischung in die Wirtschaft zu unterscheiden. Das eine ist ohne das andere denkbar, doch in der Praxis besteht eine solche Trennung nicht, da beides zu den Maßnahmen sozialistischen und sozialdemokratischen „Gestaltens“ gehört.

In diesem Artikel soll vor allem der Sozialstaat als Umverteilungsstaat thematisiert werden.

„Man hat versucht, ein Mischsystem aufzuspüren, eines, das sich zwischen Sozialismus und Kapitalismus bewegt; das die guten Seiten von Sozialismus und Kapitalismus nutzt und deren schlechte Seiten aussondert. Das Ergebnis ist der Interventionismus, der auch als 'der dritte Weg' oder als 'soziale Marktwirtschaft' bezeichnet wird. Die Idee ist hier, dass der Staat fallweise in das System der Märkte eingreifen soll – durch zum Beispiel Steuern, Ge- und Verbote, Regularien etc. –, um 'Wünschenswertes' zu erreichen. Doch der Interventionismus ist keine dauerhaft durchführbare Ordnung. Eine Gesellschaft, die an ihm festhält, wird zu immer weiter um sich greifenden Staatsmaßnahmen greifen müssen, so dass sie früher oder später in einem sozialistisch-totalitären System endet. Ein Mittelweg zwischen Sozialismus und Kapitalismus ist dauerhaft nicht möglich.“ (Thorsten Polleit)

Seltsamerweise hindert das die meisten Menschen nicht daran, in diesem „Mittelweg“ die ideale Staatsform zu sehen, wobei aber, wie von Polleit festgestellt, das Gewicht zwangsläufig immer mehr in Richtung Sozialismus verschoben wird: Die Menschen gewöhnen sich an staatliche Unterstützung, und da sie eine stetige Verbesserung ihrer Lebensbedingungen anstreben, fordern sie immer mehr davon.

Inzwischen kam noch der Eurosozialismus mit seiner Umverteilung innerhalb der EU-Staaten hinzu, und mittlerweile wird sogar der Globalsozialismus angestrebt; sei es, dass man hierzulande Migranten auf Kosten der einheimischen Steuerzahler den kompletten Lebensunterhalt einschließlich Gesundheitsversorgung, psychologischer Betreuung und Sprach- und Integrationskursen finanziert, sei es dass man Geld in die Herkunftsländer pumpt, wo es zum großen Teil in der Korruption versickert oder für die Finanzierung von Kriegen ausgegeben wird, wodurch der Teufelskreis von Neuem beginnt.

Der Zweck des Staates

Aber fangen wir klein und von vorne an: Warum schlossen sich Menschen überhaupt zu Gemeinschaften und später zu Staatswesen zusammen? – Sicherheit! Sie wollten sich gegen feindliche Stämme verteidigen, aber auch vor Betrug, Diebstahl und Gewalt innerhalb der eigenen Gemeinschaft geschützt sein. Also gaben sie sich Gesetze und beauftragten Mitglieder ihrer Gemeinschaft damit, die Einhaltung der Gesetze zu überwachen und Zuwiderhandlungen zu bestrafen. Wer körperlich dazu in der Lage war, und das waren normalerweise die jungen Männer, übernahm die Aufgabe, den Stamm vor Angriffen von außen zu schützen – oder andere Stämme anzugreifen, um Frauen, Besitz und Territorium zu erobern.

Je größer die Gemeinschaften wurden, um so mehr Organisations- und Verwaltungsbedarf gab es, aber die eigentliche Aufgabe war immer die gleiche: Garantie der inneren und äußeren Sicherheit. Um das zu finanzieren, mussten Steuern erhoben werden. Dies also ist die Aufgabe des Staates: Ein Rechtsstaat im eigentlichen Sinn. Es können noch infrastrukturelle Maßnahmen hinzukommen, denn von Verkehrswegen und Energieversorgung profitiert auch jeder Bürger, direkt oder indirekt. Auch eine grundlegende Bildung kann bei Bestehen einer Schulpflicht staatlich finanziert werden, da es alle betrifft. Die Grundregel jedenfalls lautet: Die Steuern, die ein Bürger zahlt, müssen – transformiert in entsprechende Dienstleistungen und Güter – auch wieder an ihn zurückfließen. Alles andere wäre ja wohl nicht gerecht. Oder?

Vom Rechtsstaat zum Sozialstaat

Nun, da hat man die Rechnung ohne die Sozialisten gemacht. Vom ehemaligen Linken Klaus-Rainer Röhl stammt eine nüchterne und treffende Definition: „Da ist etwas, was wir gut brauchen können, uns aber nicht gehört. Also nehmen wir es uns. Im Grunde ist das schon der ganze Sozialismus. Mehr war er nie.” (Linke Lebenslügen, 1994, S. 88)

Da es in einem funktionierenden Staat nicht so einfach ist, sich etwas zu nehmen, was einem nicht gehört, übertrug man diese Aufgabe dem Staat selbst. Er sollte die Wohlhabenderen nicht nur mit dem gleichen Prozentsatz wie die Ärmeren besteuern (wodurch sie ja schon mehr zahlten), sondern mit einem höheren. Manche der Ärmeren sollten überhaupt keine (Einkommens-)Steuern mehr bezahlen, und die Ärmsten sollten von den anderen sogar noch Geld bekommen – auf dem Umweg über den Staat. So wurde verschleiert, dass diese Umverteilung nichts anderes als einen Diebstahl darstellt: Steuern, ursprünglich ein notwendiges Übel, für das jeder im Prinzip dieselbe Gegenleistung bekam, wurden zweckentfremdet, um Einkommen und Vermögen einander anzugleichen. In jüngerer Zeit hat man dafür die Begriffe „Solidarität“, „soziale Gerechtigkeit“ und „Verteilungsgerechtigkeit“ erfunden, um zu verschleiern, worum es sich in Wirklichkeit handelt. Besonders perfide ist dabei die Verwendung des Wortes „Gerechtigkeit“ für einen organisierten Diebstahl.

Wie pervertiert die Staatsausgaben mittlerweile sind, zeigt ein Blick in den aktuellen Bundeshaushalt: Der mit weitem Abstand größte Posten sind die Sozialausgaben: Auf 41,81 Prozent sind sie mittlerweile angewachsen! Lächerlich gering sind dagegen die Ausgaben, die den eigentlichen Aufgabenbereich des Staates ausmachen: 11,24 % für die Verteidigung (auch wenn das schon Platz 2 ist), und ganze 2,73 % für die innere Sicherheit! Schon für die Schuldentilgung – ihrerseits eine Folge des Wohlfahrtsstaates – wird mehr als das Doppelte ausgegeben.

Bereits in den ersten Jahren dieses Jahrtausends waren die Sozialausgaben pro Einwohner – inflationsbereinigt! – rund viereinhalb mal so hoch wie 1960, und das, obwohl der Wohlstand seither deutlich zugenommen hat. Wie kann das sein?

(Anmerkung: Dass bis zum Beitritt der neuen Länder der Wohlstand trotz steigender Sozialausgaben zunahm, scheint der unten vertretenen These, dass der Sozialstaat Wohlstand reduziert, zu widersprechen, liegt aber schlicht daran, dass Deutschland nach dem Krieg quasi wieder von Null beginnen musste: Zunächst konnte es nur aufwärts gehen.)

Um fast 42 Prozent ließen sich die Steuern also senken, wenn die anderen Ausgaben gleich blieben. Natürlich müsste für die innere Sicherheit und vielleicht auch für die Verteidigung mehr ausgegeben werden, aber selbst bei einer Verdopplung dieser Ausgaben wären kräftige Steuersenkungen möglich. An diesen Zahlen kann man ablesen, worum es unserem Staat geht – aber auch, worum es ihm nicht geht!

Vier Irrtümer über den Sozialstaat

1. Ohne Sozialstaat ist die Gesellschaft ungerechter.
Wie schon eingangs ausgeführt, ist das Gegenteil wahr. Gerechtigkeit bedeutet nicht Gleichheit, sondern dass jeder erhält, was ihm zusteht, und dass jeder für die von ihm gezahlten Steuern eine entsprechende Gegenleistung bekommt. Ist es etwa gerecht, wenn jemand, der nicht arbeitet, ebensogut leben kann wie jemand, der sich mehrere Stunden am Tag abrackert? Darauf weisen sogar Linke und Gewerkschaften hin – freilich mit dem Hintergedanken, dass Arbeit besser bezahlt werden müsse. Aber das ist oft nicht möglich, denn ein Arbeitgeber kann keine Löhne zahlen, die notwendige Investitionen unmöglich machen oder ihn gar in die Insolvenz führen. Müsste er freilich nicht einen großen Teil an die Sozialkassen abführen, und wäre er mit geringeren Steuern belastet, kurz: hätten wir eine freie Marktwirtschaft, ja, dann könnte er tatsächlich höhere Löhne zahlen!

2. Ohne Sozialstaat gibt es mehr Armut.
Wenn man den seit 2001 in unregelmäßigen Abständen erscheinenden „Armutsbericht“ liest, gewinnt man vielmehr den Eindruck, der Sozialstaat produziere Armut. Dies ist freilich vor allem dem manipulativen Armutsbegriff geschuldet, der jeden als „arm“ definiert, der weniger als die Hälfte des durchschnittlichen Einkommens zur Verfügung hat. Der Hintergedanke ist leicht zu erkennen: Solange ein Hilfsarbeiter ohne Schulabschluss nicht das gleiche verdient wie ein Universitätsprofessor oder ein Chirurg, wird es nach dieser von Linken, Wohlfahrtsverbänden und Gewerkschaften propagierten Definition immer viele – „zu viele“ – Arme geben.

Ohne staatliche Transferleistungen jedoch wären die Menschen schlicht gezwungen, selbst für ihren Lebensunterhalt zu sorgen, anstatt sich in die soziale Hängematte zu legen. Und dazu ist fast jeder in der Lage. Selbst geistig Behinderte können körperliche Arbeit leisten (bekanntlich gibt es Behindertenwerkstätten), und körperlich Behinderte können geistige Arbeit leisten (Stephen Hawking ist ein beeindruckendes Beispiel). Für die Unterstützung der Wenigen, die in beider Hinsicht zu stark beeinträchtigt sind, würde es – neben ihren eigenen Familien – selbstverständlich weiterhin Wohlfahrtsorganisationen geben, beispielsweise auch die Kirchen, die sich stets so vehement für den Ausbau des Sozialstaates einsetzen. Das wäre dann allerdings freiwillig und nicht durch staatlichen Diebstahl an rechtmäßig erworbenem Eigentum erzwungen. Außerdem hätten natürlich alle „Gutmenschen“ Gelegenheit, ihre uneigennützige Gesinnung zu beweisen und Geld für soziale Zwecke zu spenden. Das Gleiche gilt für Unternehmer, von denen schon heute viele erhebliche Anteile ihrer Gewinne und Vermögen spenden.

Ein Staat ohne Umverteilung ist also nicht gleichbedeutend mit einer „kalten“, „herzlosen“ Gesellschaft – im Gegenteil: Die Hilfe kommt dann wirklich „von Herzen“ und freiwillig; es ist kein schmutziges Geld, das anderen gestohlen wurde.

3. Ohne Sozialstaat gibt es mehr Kriminalität.
Wenn potenzielle Diebe kein Geld mehr vom Staat bekommen, werden sie eher geneigt sein, es direkt zu stehlen. Doch ein von den ungeheuren Sozialausgaben befreites Staatswesen könnte ja endlich seine eigentlichen Aufgaben wahrnehmen und für innere Sicherheit sorgen! Mit einer besser ausgestatteten Polizei und geeigneten Vorbeugungs- und Aufklärungsmaßnahmen wie möglichst flächendeckender Kameraüberwachung im öffentlichen Raum und DNA-Untersuchungen würde die Aufklärungsquote drastisch steigen und Diebstahl und andere Verbrechen unattraktiv machen. Natürlich müssten auch die Strafrahmen angehoben werden, um die Abschreckung zu erhöhen. Zwar wäre auch im Sozialstaat eine wesentlich bessere Kriminalitätsbekämpfung möglich als wir sie in Deutschland haben, doch würde sie bei Abschaffung des Sozialstaates noch effektiver werden können.

4. Ohne Sozialstaat bekommen die Leute weniger Kinder.
In der Theorie mag der Gedanke naheliegend sein, dass Umverteilung zugunsten von Familien die Menschen dazu animiert, mehr Kinder in die Welt zu setzen; und Migranten aus bestimmten Kulturkreisen, die ihren Lebensstandard gezielt mit deutschem Kindergeld verbessern, scheinen das zu bestätigen. Alleine: Bei der deutschen Bevölkerung funktioniert das nicht. Obgleich die Umverteilung immer größere Ausmaße angenommen hat und auf die unglaubliche Zahl von über 150 „familienbezogenen Leistungen“ angewachsen ist, hat sich die Geburtenrate nach dem „Pillenknick“ der 1960er Jahre auf dem bekannt niedrigen Niveau eingependelt. Früher waren Kinder die Altersvorsorge (in den meisten anderen Ländern sind sie es immer noch), heute wird dies von der Rentenversicherung, und wenn die Rente nicht ausreicht, vom Sozialamt übernommen. Im Jahr 1989, als zusätzlich zum Kindergeld der Kinderfreibetrag eingeführt wurde, stieg die Höhe der Vergünstigungen für Familien sprunghaft an. Die Geburtenrate – lassen wir neun Monate Zeit – war aber im Jahr 1990 sogar geringfügig niedriger als 1988 und hat nie wieder das Niveau von 1988, bevor der Freibetrag eingeführt wurde, erreicht!

Abgesehen davon sollte man einmal überlegen, ob ein Rückgang der Bevölkerung nicht auch Vorteile hat, welche die Nachteile vielleicht sogar überwiegen (mehr Wohnraum, geringerer Ressourcenverbrauch). Die Rentenversicherung hätte sich längst von einem System verabschieden müssen, das die Versorgung der Alten von den Beiträgen der Jungen abhängig macht. Dass das auf Dauer nicht funktionieren wird, ist seit einem halben Jahrhundert klar.

Zehn Argumente plus eines gegen den Sozialstaat

1. Der Sozialstaat ist ungerecht.
Denn was könnte – neben dem Recht auf Leben und auf körperliche Unversehrtheit – ein universellerer und unumstrittener Grundsatz der Gerechtigkeit sein als das Recht auf Eigentum?

2. Das richtige Maß an Umverteilung gibt es nicht.
Wer Umverteilung als „Verteilungsgerechtigkeit“ beschönigt, der muss auch sagen, welches Maß gerecht ist. Denn jede Umverteilung, die über oder unter diesem Maß liegt, muss logischerweise wieder ungerecht sein. Dieses Maß kann aber niemand objektiv bestimmen, es wird immer willkürlich sein. Man fordert nur ein „Immer mehr“, was allenfalls vermuten lässt, dass die Sozialisten erst zufrieden sind, wenn alle das Gleiche besitzen – oder, nach dem sozialistischen Motto „Jedem nach seinen Bedürfnissen“, jeder so viel, dass er zufrieden ist. Wollten Sie nicht schon immer ein Schloss, einen Fuhrpark mit mindestens zehn Sportwagen, einen Privatjet, eine Insel im Pazifik und vielleicht noch eine Hotelkette besitzen?

3. Der Sozialstaat erzeugt Missbrauch.
Da leider ein großer Teil der Menschen unehrlich ist, wird es nicht einmal bei der vom Sozialstaat nach der Formel „das Machbare + x“ festgelegten Umverteilung bleiben. Menschen hinterziehen Steuern, machen falsche Angaben beim Sozialamt, arbeiten „schwarz“ oder drücken sich mit allen Mitteln um die Aufnahme einer Arbeit. Nein, nicht alle, aber sehr viele. Umfragen belegen, dass ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung Steuerhinterziehung und Sozialbetrug billigt – und demzufolge bei sich bietender Gelegenheit natürlich auch durchführt. Im Zeitalter des Globalsozialismus wird das Problem noch brisanter, da nun auch viele der sogenannten Flüchtlinge durch falsche Angaben bis hin zu mehrfachen Anmeldungen unter verschiedenen Namen den Steuerzahler um Milliarden betrügen. Der Staat hat trotz des gelegentlichen Ankaufs von CDs mit Daten von Steuerhinterziehern zur Genüge bewiesen, dass er nicht einmal in der Lage ist, den massenhaften Missbrauch und Betrug durch die eigene Bevölkerung abzustellen.

4. Der Sozialstaat erzeugt unverantwortliches Handeln.
Eine weitere Definition des Sozialismus zitiert Thilo Sarrazin in „Europa braucht den Euro nicht“: „Der eine fragt den anderen: Was ist Sozialismus? Der andere antwortet: Wenn ich wenig habe und du viel, dann legen wir das zusammen und teilen es gleichmäßig auf. Gegenfrage: Und was ist, wenn du alles ausgibst, ich aber nicht? Antwort: Dann teilen wir wieder.“

Betrachten wir also zwei Menschen mit den gleichen Einkommensverhältnissen, die beispielsweise arbeitslos werden. Zunächst erhalten sie Arbeitslosengeld, dann läuft das aus. Der eine hat bescheiden gelebt, und alles, was er nicht unbedingt zum Leben brauchte, gespart. Der andere hat alles, was er verdient hat, gleich wieder ausgegeben und sich ein schönes Leben gemacht. Im Sozialstaat muss der Bescheidene erst seine Ersparnisse zum größten Teil aufbrauchen, bevor er Hartz IV erhält. Der Verschwender hingegen wird belohnt, indem sofort kassiert. Das ist offensichtlich ungerecht. Andererseits wäre es unbezahlbar, dem Sparsamen die gleichen Leistungen angedeihen zu lassen, und irgendwie ebenfalls ungerecht, denn er hat ja noch Geld. Ein unauflösbares Dilemma, das einmal mehr die systemimmanente Ungerechtigkeit des Sozialstaates aufzeigt!

A propos Arbeitslosengeld: Nachdem mir mein Arbeitgeber wegen dieses Artikels gekündigt hatte, riet mir mein Anwalt, Arbeitslosengeld zu beantragen. Doch obwohl ich jahrelang in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt habe, erhalte ich nichts. Warum? Weil ich als Musiker natürlich jeden Tag üben muss; das aber zählt als „berufsvorbereitende Tätigkeit“ genauso wie eine tatsächliche Berufsausübung, und da es mehr als 15 Stunden in der Woche sind, erhalte ich kein Arbeitslosengeld – obwohl ich durch das Üben keinen Cent verdiene. Wieder eine Ungerechtigkeit im System: Musiker müssten von der Arbeitslosenversicherung befreit werden, wenn sie sie niemals in Anspruch nehmen können, denn ein Musiker muss üben, um sein Niveau auch nur zu halten, so wie ein Sportler trainieren muss. (Natürlich habe ich meinen Arbeitgeber verklagt; [Aktualisierung:] im August 2017 hat das Landesarbeitsgericht Freiburg als 2. Instanz zwar die Unrechtmäßigkeit der Kündigung bestätigt, dem Hilfsantrag der Schule auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses jedoch stattgegeben.)

5. Der Sozialstaat reduziert die Steuerehrlichkeit.
Aber der Sozialstaat ist nicht nur unfähig, Steuerbetrug zu verhindern – er produziert ihn geradezu. Denn wer, die entsprechende kriminelle Energie vorausgesetzt, weiß, dass seine Steuern zu einem beträchtlichen Teil nicht durch entsprechende staatliche Dienstleistungen wieder an ihn zurückfließen, sondern anderen Personen einfach geschenkt werden, der wird natürlich eher dazu motiviert sein, seine Steuerlast durch falsche Angaben zu vermindern. Auch die unterschiedlichen Steuersätze tragen dazu bei, dass sich viele ungerecht behandelt fühlen und dies auszugleichen versuchen.

6. Der Sozialstaat reduziert die Wirtschaftskraft.
Wer ohne Arbeit überleben kann, und dazu noch recht bequem, d.h. in einer beheizbaren Wohnung mit fließendem warmem Wasser und genug Nahrungsmitteln (dass Hartz-IV-Empfänger im Schnitt übergewichtiger sind als Beschäftigte ist ein Paradox des hypertrophierten Sozialstaats), der macht es sich allzu oft in dieser sozialen Hängematte bequem, ohne etwas zu leisten. Warum sollte man fünf Tage in der Woche morgens früh aufstehen, eine halbe Stunde im überfüllten Bus stehen, dann ein paar Stunden eine ungeliebte Arbeit verrichten und im überfüllten Bus wieder zurückfahren, um vielleicht 100 Euro im Monat mehr zu haben als wenn man gemütlich zuhause bleibt?

Sozialisten werden jetzt entgegnen, es sei eben nicht genug Arbeit für alle da. Aber das ist Unsinn. Wir hören seit Jahrzehnten, dass es dem Staat und den Kommunen an Geld fehlt, um Straßen, Brücken und Schulen zu sanieren, um die Städte sauberzuhalten, um Polizei und Justiz genügend auszustatten, um die Kultur zu fördern ... Gerade für die eigentlichen Staatsaufgaben fehlt es an Geld, weil es zweckentfremdet wird. Für all diese Aufgaben braucht man Menschen unterschiedlichster Qualifikation, aber auch Geringqualifizierte können Straßen kehren oder zu anderen einfachen Tätigkeiten angeleitet werden. Ja, der Staat kann Menschen Geld geben – aber nicht ohne Gegenleistung, sondern als Arbeitgeber! Selbst wenn es nach der aktuellen Regelarbeitszeit tatsächlich nicht genügend Arbeit für alle gäbe, wäre es immer noch gerechter, die vorhandene Arbeit gleichmäßig zu verteilen, als Arbeitende für Nichtarbeitende zahlen – also quasi mitarbeiten – zu lassen.

7. Der Sozialstaat reduziert den Wohlstand.
„Es gibt auf dem ganzen Globus kein einziges auch nur halbwegs kapitalistisches Land, in welchem die Mehrheit der Bevölkerung nicht wohlhabend ist; und es gibt weltweit kein einziges signifikant nichtkapitalistisches Land, in welchem die Mehrheit der Bevölkerung nicht in Armut lebt.“ (Roland Baader: Die belogene Generation, 1999, S. 133)

Ein Staat ohne Sozialleistungen zwingt zur Arbeit und wird so zwangsläufig produktiver, wodurch der allgemeine Wohlstand wächst. Anstatt Geld für Arbeit, die natürlicherweise den Wohlstand mehrt, zu zahlen, bezahlt der Sozialstaat Geld für Unproduktivität. Es ist eine Binsenwahrheit, dass eine Volkswirtschaft um so wohlhabender ist, je weniger Umverteilung stattfindet und je mehr dem freien Markt Raum gegeben wird. Der mittlerweile erfolgte wirtschaftliche Zusammenbruch der meisten sozialistischen Staaten und der Zustand der verbliebenen sprechen Bände. Für den Mustersozialstaat Schweden hat die UN prognostiziert, dass er bis 2030 auf Dritte-Welt-Niveau absinken wird.

Ein altes Bonmot sagt: Im Kapitalismus gibt es Reiche und Arme, im Sozialismus sind alle arm (abgesehen von den Politikern).

8. Der Sozialstaat erzeugt Arbeitslosigkeit.
Roland Baader nannte diese Zahlen, die für sich sprechen: „Zwischen 1975 und 1995 wurden per Saldo – also zusätzliche – Arbeitsplätze geschaffen: In den USA 45,57%. In Kanada 45,48%. In Australien 41,29%. In Japan 23,63%. In der Schweiz 21,72%. Ein wenig vereinfachend kann man also sagen: Je mehr Kapitalismus in den verschiedenen Industrienationen, desto mehr neue Arbeitsplätze. Deshalb ist es auch nur logisch und konsequent, daß in derselben Zwanzigjahresperiode im Wohlfahrts-Disneyland Europäische Union nur 4,12% neue Jobs hinzugekommen sind, und im Superwohlfahrtsstaat Schweden sind sie sogar um 1,90% geschrumpft.“ (Die belogene Generation, 1999, S. 92)

Sozialabgaben machen Arbeit teurer, und wenn ein Arbeitgeber pro Arbeitnehmer mehr bezahlen muss, kann er weniger Leute einstellen.

9. Der Sozialstaat ist nur durch Schulden finanzierbar.
Heute sehen wir, dass der Sozialstaat nur durch eine ungeheure Anhäufung an Schulden bezahlbar ist, die zumindest im Falle Griechenlands längst in den Untergang geführt hätten, wenn nicht Gläubiger bereits auf einen großen Teil ihres Geldes verzichtet hätten („Schuldenschnitt“), und wenn nicht andere Länder entgegen dem Maastrichter Vertrag und damit illegal für die noch immer astronomisch hohen Restschulden haften würden, während sie gleichzeitig immer wieder Geld in dieses Fass ohne Boden schütten („Rettungspakete“). Auch im Sozialismus muss die Zeche irgendwann bezahlt werden, muss jemand die Verluste tragen – nur nicht derjenige, der sie verursacht hat!

10. Der Sozialstaat vernachlässigt die eigentlichen staatlichen Aufgaben.
Da aber die Schuldenaufnahme ihre Grenzen hat, wird der Sozialstaat stets dazu tendieren, seine eigentlichen Aufgaben zu vernachlässigen: Das Geld reicht eben nicht für alles. In den sozialistischen Diktaturen verfielen Häuser und Straßen genauso wie die natürlichen Lebensgrundlagen. In unserem Dreiviertelsozialismus verfällt die Infrastruktur ebenfalls, und was noch viel schlimmer ist: Polizei und Justiz sind chronisch unterbesetzt, und bei einer Aufklärungsquote von durchschnittlich um die 50 Prozent, bei manchen Delikten aber auch weit darunter (peinliche 15,2 Prozent beim Wohnungseinbruchdiebstahl), kann von einer auch nur einigermaßen effektiven Verbrechensbekämpfung keine Rede sein.

11. Ein zusätzliches Argument gegen den Euro- und Globalsozialismus.
Die Ausweitung des Sozialismus auf Europa und darüber hinaus ist keine Notwendigkeit des Sozialstaates an sich, aber eine weitere Dummheit und Ungerechtigkeit, die sich unsere Politiker in ihrem Umverteilungs- und Gleichheitswahn ausgedacht haben. Nun kommen auch Menschen aus Ländern mit niedrigeren Sozialstandards (und das sind fast alle auf der Welt) zu uns, um auf unsere Kosten zu leben. Innerhalb der EU gilt ohnehin die Personenfreizügigkeit, und kommt man aus dem Nahen Osten oder Afrika, braucht man nur einen Asylantrag zu stellen, um in den Monaten bis zur Entscheidung mehr zu kassieren als man vermutlich in seiner Heimat während des ganzen restlichen Lebens verdient hätte. Und wird der Antrag abgelehnt, erhalten viele dennoch ein Bleiberecht oder zumindest eine Duldung. Während Kritiker dieser Praxis noch bis vor kurzem mit der Nazikeule niedergeschlagen wurden, beginnen die etablierten Parteien langsam zu erkennen, dass eine solche Großzügigkeit auch bei unverschämtester Ausbeutung der eigenen Bevölkerung nicht mehr finanzierbar ist und – noch schlimmer! – sogar Wählerstimmen kosten kann.

Dies ist wohlgemerkt kein Plädoyer gegen die vorübergehende Aufnahme wirklich Schutzbedürftiger, doch Schutz und sozialstaatliche Rundumversorgung sind zwei verschiedene Dinge.

Die Demokratie – zum Sozialstaat verdammt?

Wie konnte sich der Sozialstaat trotz seiner offensichtlichen Ungerechtigkeiten und Nachteile durchsetzen? Er scheint geradezu eine Nebenwirkung der Demokratie zu sein: Wer dem Volk Wohltaten verspricht, wird eher gewählt.`Die meisten Wähler schauen nur auf den kurzfristigen persönlichen Vorteil; moralische Überlegungen, dass das Geld, das sie erhalten, anderen abgenommen wird, spielen für sie ebensowenig eine Rolle wie die längerfristigen Folgen einer sozialdemokratischen Politik.

„In Deutschland sind es derzeit von 82 Millionen Einwohnern noch etwa 15 Millionen, welche echte Wertschöpfung betreiben, also nicht direkt oder indirekt vom Staat finanziert werden. Bei circa 60 Millionen Wahlberechtigten wird klar, dass diese Gruppe selbst dann, wenn sie geschlossen abstimmen würde, die Regierungsbildung nicht mehr entscheidend beeinflussen kann.“ (Titus Gebel)

Das erinnert an das Beispiel der drei Füchse und des Hasen, die über das Mittagessen abstimmen. Stehen wir also vor einer potenziell unendlichen Folge von Sozialstaaten, die irgendwann überschuldet zusammenbrechen, um wieder von vorne zu beginnen, eventuell aufgebläht zu sozialistischen Superstaaten, wie es für die EU beabsichtigt – und zum Teil schon durchgeführt – ist? Falsche Ideologien können über Jahrhunderte, ja Jahrtausende Bestand haben, wofür Religionen das beste Beispiel sind. Schließen sich Demokratie und freie Marktwirtschaft aus?

Der Grund, warum der Sozialstaat solch absurde Dimensionen annehmen konnte, liegt im Werteverfall, der in den 50er und 60er Jahren die westlichen Gesellschaften erfasst hat. An die Stelle traditioneller Werte wie Bildung, Bescheidenheit, Pflichtbewusstsein und Selbstverantwortung traten Hedonismus, Anspruchsdenken und Gesetzlosigkeit. Hier also muss angesetzt werden, wenn wieder Vernunft in die Gesellschaft und dann in die Politik Einzug halten soll. Dazu müssen wir wiederum die Ursachen des Werteverfalls kennen. Diese liegen, wie der Harvard-Professor Steven Pinker überzeugend dargestellt hat, in der Populärkultur und ihrer Verbreitung durch die Massenmedien. Die wichtigste Rolle kommt dabei der aggressiven Popularmusik zu, die leicht beeinflussbare Kinder und Jugendliche einer täglichen Gehirnwäsche aussetzt und atavistische Instinkte weckt. Damit konterkariert diese Musik, unterstützt von der Vorbildwirkung ihrer oft kriminellen, mindestens aber vulgären und schamlosen Protagonisten, jegliche zivilisatorischen Bemühungen; denn Zivilisation ist ja nichts anderes als die Zähmung destruktiver Instinkte zugunsten eines friedlichen und respektvollen Zusammenlebens. Pinker spricht denn auch folgerichtig von einer „Entzivilisation“, die eine jahrtausendelange zivilisatorische Entwicklung plötzlich umgekehrt hat. Nur Wenige haben bisher die Ursache dafür erkannt.

Weltgeschichtlich gesehen ist der Sozialstaat bis jetzt nur eine kurze Episode; ein Versuch, den Sozialismus durch die Hintertüre in eine mehr oder weniger demokratische Gesellschaft einzuführen. Unser „Dreiviertelsozialimus“ ist zwar weniger schlimm als ein totaler, der Zusammenbruch wird etwas länger hinausgezögert, aber jede sozialistische Maßnahme schwächt den Staat und macht ihn ungerechter. Subventionen, nach ideologischem Kalkül und politischen Interessen verteilt, verzerren den Wettbewerb, hohe Steuern und Umverteilung bestrafen Leistung und belohnen Müßiggang: „Berufswunsch Hartz IV“. Wenn die Bundesregierung soeben stolz „Milliardenüberschüsse“ bei den Steuereinnahmen gemeldet hat, so besagt das nichts anderes als dass sie in der Ausbeutung der Leistungsträger besonders erfolgreich war.

Der Sozialstaat ist asozial: Er beruht auf Diebstahl, er macht Schulden zu Lasten künftiger Generationen, er bestraft Leistung und belohnt Schmarotzertum, also asoziales Verhalten. Der Begriff „Sozialstaat“ ist ein Etikettenschwindel.

In einem freiheitlichen Rechtsstaat dagegen wird die Wirtschaft durch die ungehinderte Wechselwirkung von Angebot und Nachfrage optimiert, die Steuern sind mäßig und werden „gerne“ bezahlt, weil man einen Gegenwert dafür bekommt. Wohlfahrt und Kulturförderung wird es weiterhin geben, aber privat und freiwillig. Schulden macht dieser Staat nicht, weil er mit seinen Einnahmen auskommt. Verbrechen lohnen sich nicht und werden allenfalls von ein paar Geisteskranken, Betrunkenen und fanatischen Terroristen begangen. Für Migranten ohne Aussicht auf eine Erwerbsarbeit wird dieser Staat unattraktiv sein; er wird keine „Flüchtlings“ströme zu bewältigen haben.

Das ist eine Utopie, für die zu kämpfen sich lohnt. Anders als der Sozialismus, der seine Armutsdiktaturen auf Millionen von Leichen errichtet hat und seit hundert Jahren vergebens versucht, einen „neuen Menschen“ zu schaffen; anders auch als die Sozialdemokratie, die den Sozialismus auf demokratischem Weg durchsetzen will und sich dabei einbildet, dass der „neue Mensch“ bereits existiert.

Vernunft in das gesellschaftliche Zusammenleben und in die Politik zu bringen, den Sozialismus als eigennützige und rücksichtslose Ideologie der Diebe zu entlarven, eine „zweite Aufklärung“, das ist die große Aufgabe, die vor uns liegt. Wenn das gelingt, wird der Sozialstaat eine kurze Verirrung in der Menschheitsgeschichte bleiben, abgelöst von einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung, die das Eigentum aller Bürger respektiert und schützt.